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TULIPMANIA TAGESSPIEGEL

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Ausstellung „Tulip Mania“ am Kudamm:

 Berliner Künstler zeigt Werke mit Selbstzerstörungsgefahr

In seiner temporären Ausstellung „Tulip Mania“ präsentiert Künstler Sven Sauer fünf digitale Kunstwerke. Für den Kauf braucht es Mut – denn die Bilder haben einen Haken.

Von Louise Otterbein

 

Ein sich selbst zerstörendes Kunstwerk, über dessen Schicksal allein der Käufer entscheidet – damit geht der Künstler Sven Sauer ein Experiment ein, über dessen Ausgang sich noch niemand im Klaren ist. Bereits in der Vergangenheit erregten Kunstwerke mit Selbstzerstörungsmechanismus immer wieder Aufmerksamkeit, nicht zuletzt das des Künstlers Banksy, das noch im Auktionshaus vor den Augen des Käufers zerschreddert wurde.

 

Doch in Sauers Fall ist die Autodestruktion alles andere als ein Geheimnis. Das Experiment ist offen, der Käufer selbst weiß von der Gefahr der Vernichtung. „Und hier liegt die Verantwortung über den Bestand des Werks allein beim Käufer“, sagt Sauer. „Tulip Mania“ heißt die zweiwöchige Ausstellung im „Pop am Kudamm“, einem temporären Kulturort, gebaut aus 35 Schiffscontainern, die am Samstag für Interessierte und potenzielle Käufer eröffnet wurde.

 

In seiner Installation beschäftigt sich Sauer mit der Funktionsweise von Märkten, Crashs, Spekulationsblasen, der Finanzwirtschaft und dem Kunsthandel. Die digitalen Werke, um die sich die Installation dreht und die während der zweiwöchigen Ausstellung erworben werden können, sind eine Mischung aus Malerei und Fotomontagen. Sie zeigen bunte Tulpenfelder, angrenzend an graue Aschelandschaften, Barrikaden und Kriegsschauplätze.

 

„Auf den ersten Blick ist es vor allem die Schönheit der Bilder, die einen anspricht, die Symmetrie, die Farben. Erst bei genauerem Hinsehen, werden die grauen Details sichtbar“, sagt Sauer. Doch ob die Werke ihren Zustand beibehalten, liegt allein in den Händen des Konsumenten.

 

"Man sieht, wie sich alle Hypes und Spekulationsblasen in ihrem Verlauf ähneln. Man könnte meinen, dass die Menschheit daraus lernen müsste – sie tut es aber anscheinend nicht."So Künstler Sven Sauer

 

Sauer hat für „Tulip Mania“ fünf digitale Kunstwerke geschaffen, die durch den Prozess des Weiterverkaufs Stück für Stück zerstört werden. Sobald der originäre Käufer das Werk verkauft, geht ein Teil desselben verloren. Die noch zu Beginn bunten Bilder verlieren nach und nach ihre Farbe. Doch bis auf den Künstler selbst weiß niemand, ab welchem Weiterverkauf das Bild für immer verschwindet.

 

Damit geht jeder Käufer das Risiko ein, ein Werk zu erwerben, das sich nach der Transaktion selbst zerstört. Der Käufer wird also dazu gezwungen, sein Handeln zu reflektieren. Mit seinem Projekt bezieht sich Sven Sauer auf die erste große Spekulationsblase der Geschichte, die auch heute noch immer zitiert wird, wenn ein Markt einstürzt: die Tulpenmanie.

 

Auslöser dieser Finanzkrise war der Handel mit Tulpen in den Niederlanden im 17. Jahrhundert. Nach ihrer Einführung Ende des 16. Jahrhunderts wurden Tulpen zunächst von Blumenliebhabern gehandelt. Doch als der kommerzielle Handel mit den Tulpenzwiebeln hinzukam, geriet das Geschäft außer Kontrolle. „Die Preise explodierten“, sagt der Künstler. „Der Wert rarer Sorten stieg so stark an, dass eine einzige Zwiebel irgendwann den Preis eines großen Hauses mitten in Amsterdam hatte.“

 

Doch 1637 platzte die Blase und trieb viele Niederländer in den Ruin. Sven Sauer holt die erste dokumentierte Finanzkrise der Historie ins 21. Jahrhundert und setzt sie in Beziehung zu Finanzkrisen unserer Zeit. „Man sieht, wie sich alle Hypes und Spekulationsblasen in ihrem Verlauf ähneln. Man könnte meinen, dass die Menschheit daraus lernen müsste – sie tut es aber anscheinend nicht.“

 

Doch Sauer geht mit seinem Projekt noch weiter – er stellt die Frage nach dem Wert der Kunst für die Käufer. „Sind sie Kunst liebende Sammler oder aber Spekulanten? Wollen sie das Kunstwerk erhalten oder das schnelle Geld machen? Wir werden sehen, wie das Experiment verläuft und ob sich die Spekulanten unter den Käufern entlarven“, sagt Sauer.

 

Die Licht- und Soundinstallation im „Pop“ simuliert das Experiment. Um die Bilder zu betrachten, setzen sich die Besucher auf Kissen in der Mitte der Installation. Über ihnen hängen sogenannte Grow Lamps, klassische Gewächshauslampen, die den Raum in pinkes Licht hüllen. Unter den Lampen soll hier aber nicht die Tulpe wachsen, sondern das wichtigste Element des Kapitalismus: der Konsument.

 

Zu Sauers Idee hat der Soundkünstler Bony Stoev eine Komposition entwickelt, indem er Kontobewegungen in Klänge verwandelt hat, verbunden mit dem Sound von Geldzählmaschinen. So wird der Konsument zum Zentrum des Werks. Um tiefer in die Ausstellung einzutauchen, haben die Ausstellungsmacher einen Audioguide entwickelt, der den Entstehungsprozess und den Hintergrund des Projekts erklärt.

 

Es wird sich zeigen, wer sich auf das Experiment einlässt und sich traut, eines der Werke zu kaufen. Möglicherweise liegt auch genau in dem Risiko das Anziehende, das die Käufer motiviert, die Grenzen auszureizen und die Vernichtung zu provozieren. Damit setzt Sauer auf die Neugier der Konsumenten, die sich die Frage stellen müssen: Ist es das wert?

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